Konvent

https://www.op-lienz.at

Link zum Orden der Dominikanerinnen in Lienz

 

Aus alten Chroniken und verschiedenen Aufzeichnungen zusammengestellt von:

Sr. M. Gertrud Dengel OP (1957)

 

Das Kloster Maria Heimsuchung zu Lienz

Alles hat seine Geschichte, auch das alte, von der Isel umrauschte Kloster am Rande der Dolomitenstadt Lienz- mitsamt den Menschen, die seit Jahrhunderten darinnen gelebt haben. Von diesen Menschen wissen wir nicht viel, war doch ihr Leben in Gott verborgen. Die tiefste Geschichte, die der Seelen, kennt Gott allein.

Was die Annalen des Klosters berichten, ist Vordergründiges: ist äußeres Wachsen und Wirken, sind Schicksale, die dem Hause erwuchsen aus seiner inneren Verflochtenheit mit dem Heimatboden, der es trägt.

Ein Kloster ist nicht von dieser Welt, aber es steht in dieser Welt und hat sich in ihr zu bewähren.

Wer die Welt als Bewährungsfeld für die Ewigkeit sieht, wer dieses als den tiefsten und letzten Sinn aller irdischen Geschichte erkannt hat, für den nehmen alle Dinge und Geschehnisse eine neue, eine geradezu unberechenbare Bedeutung an, für den gibt es nichts Kleines in der Welt und in der Geschichte.

In diesem Lichte wollen auch die vielfältigen Dinge und Begebenheiten gesehen sein, die die Geschichte unseres Klosters gewoben haben. Klein und unbedeutend mögen sie scheinen, doch sind wohl auch sie Stufen und Wege zu Gott geworden für viele: für die im Kloster und für viele draußen.

Manchmal verliefen sie eben und schön, die Wege, zu Zeiten aber führten sie steil und rauh hinan. Dank sei für alles gesagt: für Sonne und Sturm, für Licht und Dunkel und Leid - ja, gerade für dieses. Wie sagt doch Meister Eckhart? "Das schnellste Ross, das euch zur Vollkommenheit trägt, ist das Leiden". Und was will ein Kloster anderes, als sicher und gerade und ohne Umwege auf den Berg der Vollkommenheit führen?

Unser Frauenkloster zu Lienz zählt zu den ältesten Dominikanerinnenklöstern, denn es wurde noch zu Lebzeiten des hl. Dominikus gegründet. Es ist älter sogar als das Städtchen Lienz. Während dieses 1952 sein 700jähriges Jubiläum feierte, trägt die älteste Urkunde, die den Bestand unseres Klösterchens nachweist, die Jahreszahl 1227.

Das beginnende 13. Jahrhundert, in das also seine Entstehung fällt, war eine Blütezeit des religiösen Lebens, auch des Ordenslebens. Tausende von Männern nahmen damals das Kreuz. Die Frauen konnten zwar nicht mit in den Kreuzzug, doch brannte dieselbe Begeisterung für den heiligen Glauben auch in ihren Herzen, und so wollten sie wenigstens beten und sühnen. Der Klostergedanke flammte mächtig auf, die Ordenshäuser der Benediktinerinnen, Zisterzienserinnen, Karmelitinnen füllten sich.

Es gab damals auch viele Frauen und Mädchen, die den Aufnahmebedingungen der großen Frauenorden nicht entsprechen konnten, sei es aus Armut oder sonstigen Gründen, die aber doch den Wunsch hegten, sich ganz Gott zu weihen. Solche schlossen sich häufig zu kleinen Gemeinschaften zusammen und gründeten bescheidene Heime, zumeist außerhalb einer Stadt, wo sie von ihrer Hände Arbeit lebten und Gott dienten. Das Volk nannte sie Reyerinnen (Reuerinnen) oder auch Magdalenerinnen. Völlig sich selbst überlassen und schutzlos, wie sie waren, wären sie wahrscheinlich früher oder später dem Untergang geweiht gewesen, wenn sich nicht die großen Ordensstifter Franziskus und Dominikus ihrer angenommen hätten.

Einer solchen Niederlassung von Reyerinnen soll unser Kloster seinen Ursprung verdanken. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht sehr vieles, unter anderem auch die Darstellung einer hl. Magdalena (im Garten) auf unserem ältesten Konventssiegel.

Der hl. Hyazinth, einer der ersten und berühmtesten Söhne des 1216 gegründeten Dominikanerordens, soll - verläßlichen alten Berichten gemäß - 1218 nach Lienz gekommen sein und die dortige kleine Gemeinschaft der Reyerinnen (extra murum apud Ysulam) dem Dominikanerorden angeschlossen haben. Demnach hat also diese Niederlassung bereits einige Zeit vorher bestanden.

Hyazinth, ein junger, frommer Edelmann aus Polen, hatte mit seinem bischöflichen Oheim 1217 eine Reise nach Rom unternommen, dort Dominikus und den neuen Orden kennen gelernt und voll heiliger Gottesminne das weiße Ordenskleid aus der Hand des Stifters empfangen. Auf seiner Rückreise in die polnische Heimat - war er wollte die neue Ordensidee dort verbreiten - wer er nach Friesach in Kärnten gekommen, wo er wahrscheinlich das dortige Dominikanerkloster gründete, das erste auf deutschem Boden.

Von Friesach aus dürfte er dann - vermutlich auf Bitten der Reyerinnen hin - nach Lienz gekommen sein. Es ist dies zwar durch keine Urkunde dokumentiert, aber jahrhundertealte Überlieferung unseres Hauses. Diese berichtet sogar, der Heilige habe im heutigen Pfortenstübl auf einer Holzbank geschlafen.

Aus diesem Pfortenstübl, aus dem heutigen Sprechzimmer und einigen anderen anstoßenden Räumen soll die kleine Niederlassung der Hauptsache nach bestanden haben. Als Heiligtum diente eine kleine Kapelle, die Seitenkapelle unserer gegenwärtigen Kirche.

Die Reyerinnen, nummehr mit dem Habit des hl. Dominikus bekleidet, strebten jetzt mit Eifer danach, sich ein eigentliches Kloster mit Chorgebet und Klausur einzurichten.

Bald fanden sich einflussreiche Gönner, die diesen Plan tatkräftig unterstützten. Es waren dies vor allem die Erzbischöfe von Salzburg, zu deren Diözese ein Großteil Osttirols damals gehörte, und die Grafen von Görz, die um diese Zeit die Herrschaft in Tirol inne hatten und auf Schloss Bruck bei Lienz residierten.

Es ist urkundlich beglaubigt, dass Erzbischof Eberhard von Salzburg am 29. November 1244 ein Schreiben an alle Pfarrer der Diözese erließ, in dem er ihnen sehr ans Herz legte, zum Bau der Kirche und des Hauses der Schwestern bei Lienz, "welche Tag und Nacht dem Herrn dienen", ein Scherflein beizutragen und denen, die dieser Bitte entsprechen wollten, einen Ablass verlieh.

Bereits vier Jahre früher hatte Graf Meinhard von Görz den Schwestern zu ihrem Unterhalt einen Acker an der Isel verabt. Auch erhielten sie jährlich einen Teil vom "herrschaftlichen Kornkasten", eine Mühle und weitere Grundstücke. Bischof Egno von Brixen, der Eigentümer des Grundstückes, auf dem die Schwestern wohnten, schenkte ihnen dasselbe im Jahre 1249, und zwar für so lange Zeit, als das Kloster bestehen würde.

In einer Urkunde, die aus demselben Jahre stammt, ist zum letzten Mal von einer Kapelle der Schwestern die Rede, in den weiteren findet sich bereits die Bezeichnung "Kirche St. Marein". Die Weihe des neuen Kirchleins muss 1249 oder 1250, und zwar am Sonntag Reminiscere (2. Fastensonntag) stattgefunden haben. Es mag dabei hoch hergegangen sein. Am Vorabend der Kirchweihe wurde sogar ein Markt vor der Kirche abgehalten. Dieser Markt wurde dann eine bleibende Einrichtung und fand unter dem Namen "Schwester-Kirbetlemerkt" noch bis in unser Jahrhundert hinein jährlich statt, immer am Samstag vor Reminiscere. Heute noch werden an diesem Tag Kirchtagskrapfen im Kloster aufgetischt.

Das erste Kirchlein war kleiner als das jetzige. Die ursprüngliche Kapelle wurde als Seitenkapelle beibehalten. Sie diente von nun an als Begräbnisstätte der Beichtväter des Klosters, weshalb sie bis heute "das Grüftl" heißt. Später wurde sie dem hl. Wolfgang geweiht; sie besitzt eine sehenswerte spätgotische Statue dieses Heiligen.

Das Jahr 1253 wurde insofern bedeutsam für unser Kloster, als Erzbischof Philipp von Salzburg in diesem Jahre sich und seine Nachfolger als die unmittelbaren Oberen des Konventes erklärte und bestimmte, dass die Schwestern von jetzt an nach der Regel des Hl. Augustinus und den Konstitutionen der Predigerbrüder leben sollten," dem Leibe nach eingeschlossen in die Klausur, jedoch in Freiheit des Geistes..." Somit sind es 700 Jahre, dass die Schwestern von Lienz als Dominikanerinnen vom 2. Orden leben.

Derselbe Bischof empfahl die junge Ordensgründung dem Schutze des Heiligen Stuhles, was zur Folge hatte, dass die Päpste mehrere Bullen zugunsten des Klosters erließen.

Im Jahre 1271 übertrug Erzbischof Friedrich auf die Bitte der Ordensfrauen hin seine Jurisdiktion über das Kloster dem jeweiligen Prior des Dominikanerkonventes zu Friesach, den Schutz über die zeitlichen Güter behielt er sich jedoch selbst vor. Die Schwestern aber strebten die völlige Exemption an und trachteten nach einer endgültigen Einverleibung in den Orden. Diese konnte erst nach Überwindung vieler Schwierigkeiten auf den drei Generalkapiteln zu Ferrara, Trier und Piacenza (1291) erreicht werden.

Dominikaner als Beichtväter des Klosters finden sich schon seit 1249; es waren meist deren zwei oder drei anwesend. Sie bewohnten das so genannte Beichthaus. Dieses stand ungefähr an der Stelle des heutigen Schulbaues, ist also nicht das an der Pfarrbrücke gelegene, das heute unter diesem Namen bekannt ist. Außer der seelsorglichen Betreuung der Schwestern oblag ihnen noch die Verwaltung der Güter und Einkünfte des Klosters, sowie die Beaufsichtigung der Dienstboten, die die Felder bestellten.

Wie schon erwähnt, gebührt unter den Wohltätern des Klosters den edlen Grafen von Görz eine hervorragende Stelle. Die Jahre um 1300 brachten neue große Schenkungen.

Gräfin Euphemia (Offmaya), die Gemahlin Albrechts II. von Görz, vererbte 1293 dem Kloster ein Haus, das so genannte "alte Haus" , das sie als Witwe zunächst selbst noch bewohnte. Sie hatte es so nahe an das Kloster heranbauen lassen, dass es später leicht mit diesem verbunden werden konnte. Nach ihrem seligen Heimgang wurde sie im Kreuzgang des Klosters begraben.

Gräfin Euphemia (Offmaya) eröffnete die Reihe jener adeligen Damen, die, nachdem sie ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen in der Welt erfüllt hatten, im Kloster ein Asyl fanden, um den Rest ihres Lebens ausschließlich Gott zu widmen. Sie trugen weltliche Kleider und wurden von Laienschwestern bedient. Diese Reihe lässt sich urkundlich bis Mitte des 17. Jahrhunderts verfolgen.

Zwei Gräfinnen aus dem mächtigen Geschlecht der Görzer aber lebten als Nonnen im Kloster. Es waren dies Euphemia, die Tochter Albrechts III., und deren Nichte Elsbeth. Erstere brachte vier ansehenliche Güter und Schweighöfe als Aussteuer mit - "Ze lob und ze Ern unser lieben Frawe .... und durch die lieb und trewe willen, die wir gebunden sein uns tochter frawe Offenyen" - wie in der Schenkungsurkunde zu lesen ist, die Graf Albrecht 1320 im Kloster gesiegelt hat. Wegen ihrer reichen Mitgift wurde Euphemia stets als die eigentliche Stifterin des Klosters angesehen. In dankbarer Erinnerung an sie, die als heiligmäßige Nonne gestorben sein soll, trug bis in die jüngste Zeit herauf stets eine Schwester den Namen Euphemia. Durch den Eintritt der Gräfin Elsbeth fielen dem Konvent zwei Güter im Defreggental zu.

Ab 1358 fehlt jede Kunde über weitere Beziehungen des Klosters zum Geschlecht der Görzer, dessen letzter Spross 1500 auf Schloss Bruck verstarb.

Außer den Görzern gab es noch andere adelige Familien, die unserm Haus sehr zugetan waren und es mit Schenkungen bedachten.

So kam es, dass das Lienzer Kloster nach 100-jährigem Bestand wirtschaftlich bereits wohl fundiert war.

Dass es auch in geistiger Hinsicht in Blüte stand, beweisen alte, noch erhaltene Briefe, in denen dem tugendhaften Wandel der Schwestern, ihrem Gebetseifer bei Tag und Nacht, ihrer klösterlichen Observanz und strengen Klausur hohes Lob gezollt wird.

Nicht lange sollte sich das Haus des äußeren Wohlstandes erfreuen. 1413 brach die erste Brandkatastrophe über das Kloster herein. Kirche und Haus brannten bis auf die Mauern ab.

1444 zerstörte eine riesige Feuersbrunst fast die ganze Stadt Lienz, ein Brand im Jahre 1480 verheerte die nahe Schweizergasse. Auch diese beiden Brände schädigten das Kloster. Allein die Ordensfrauen verließen die Ruinen nicht; sie führten ihr Ordensleben weiter, so gut es ging, freilich in bitterer Armut und Not. 1501 forderte der Erzbischof von Salzburg alle Diözesen zu milden Spenden auf für das verfallene und verarmte Schwesternkloster zu Lienz.

Die obdachlos gewordenen Dominikanerbrüder zogen fort. Das Beichtigeramt übernahmen Karmelitenpartres. Die Verwaltung der Güter musste einem weltlichen Amtmann übertragen werden. Dies blieb so bis in das 17. Jahrhundert hinein.

Auch die Zeit der Reformation ging nicht spurlos am Hause vorüber. Die Schwestern wurden von Reformierten "größlichen angefochten und belaydigt", wie eine alte Schrift vermeldet. Gar manches Kloster wurde damals von den aufständischen, wütenden Bauern überfallen, ausgeraubt oder gebrandschatzt - im Frauenkloster zu Maria Steinach in Algund sollen sie sogar Schwestern erwürgt haben. Unser Kloster scheint von einem ausgesprochenen Überfall verschont geblieben zu sein.

In den Jahren 1569 und 1570 wütete der Schwarze Tod in der Gegend von Lienz. Er raffte in der Stadt allein 550 Menschen unbarmherzig dahin; es ist nicht anzunehmen, dass er vor der Klosterpforte Halt gemacht haben sollte. Kein Wunder, dass der Konvent unter solchen Verhältnissen mehr und mehr zusammenschmolz!

1613 wurde das Kloster abermals ein Raub der Flammen. Nun völlig obdachlos geworden, zogen die noch übrigen Schwestern in das Dominikanerinnenklösterchen zu Innichen, das dem Konvent von Lienz seit 1495 unterstellt war. Die Ruine blieb verlassen und zum ersten Mal nach 400 Jahren verstummte das frohe Lob Gottes in dieser Stätte.

Die damalige Priorin wandte sich in ihrer Not an den Landesfürsten von Tirol, den Erzherzog Maximilian, - und nicht umsonst. Bald traf ein Schreiben von ihm ein, das die Erlaubnis enthielt, Almosen zu einem Neubau zu sammeln und das gleichzeitig die Untertanen zu reichlicher Spende ermunterte. Der ehrsame Bürger, Schulmeister und Schreiber Adam Hochstätter, der mit der Kollekte betraut wurde, kehrte mit der damals nicht geringen Summe von 265 Gulden und 22 Kreuzern zurück. 1622 überwies der Pfleger von Windisch-Matrei eine Stiftung von 2000 Gulden. Als jedoch diese ansehnliche Summe zur Auszahlung kam, war sie infolge der Geldentwertung, die durch die wirtschaftlichen Missverhältnisse im Dreißigjährigen Krieg eingetreten war, auf 257 Gulden zusammengeschrumpft. Als das Kloster zu Lienz wieder bezogen werden konnte, schrieb man das Jahr 1634. Veit Freiherr von Wolkenstein nahm sich der Lienzer Schwestern wärmstens an und holte sie in seiner Equipage in Innichen ab, um sie heimzuführen. Gemeinsam mit den Lienzer Klosterfrauen hielt noch eine andere kleine Schar Einzug - es waren Dominikanerinnen aus dem Kloster St. Ulrich bei Augsburg, die während des Dreißigjährigen Krieges geflohen waren und in Innichen Zuflucht gefunden hatten. Das Klostergebäude zu Lienz glich allerdings noch mehr einer Ruine als einer Wohnstätte. Die tüchtige Priorin Susanne Penker aber brachte es fertig, die Ruine in ein blühendes Kloster zu verwandeln, und dies innerhalb weniger Jahre. Chor, Sakristei, Kreuzgang, Zellen, Konventstube und Küche,- alles erstand neu. An Stelle des bisherigen Ziehbrunnens spendete jetzt eine Wassserleitung vom Schlossberg herab das Trinkwasser. Die Kirche wurde ebenfalls neu ausgestattet und nochmals eingeweiht. Das Noviziat bevölkerte sich.

Auch geistig ging es wieder voran. Schon damals begannen einige Chorfrauen, sich mit Erziehungs- und Unterrichtsaufgaben zu befassen. Töchter adeligen oder gut bürgerlichen Standes wurden in Pension aufgenommen und in Religion, Latein, Musik und in feinen Handarbeiten, insbesondere im Spitzenköppeln, unterwiesen.

Die inzwischen abgerissene Verbindung mit dem 1. Orden wurde wieder anzuknüpfen gesucht. Als am 24. November 1657 der ersehnte Inkorporationsbrief des Ordensgenerals eintraf, war die Freude so groß, dass dieser Tag von da an durch drei Generationen hindurch als Festtag gefeiert wurde. Tatsächlich brach eine neue Blütezeit für das Kloster an. Die zwei weißen Predigermönche, die nun wieder als Beichtväter und Prediger für ständig hier weilten, förderten die innere Erneuerung des Konventes in hohem Maße. Wie ehedem übernahmen sie auch die Verwaltung der Klostergüter.

Als die Patres mit dem Bau einer Klausurmauer beginnen wollten, kam es zu einer unliebsamen Episode mit den Nachbarn. Diese sahen sich durch den Bau der Mauern insofern benachteiligt, als sie jetzt nicht mehr wie bisher ihr Vieh durch den Klosterhof an die Isel zur Tränke führen konnten. So erschienen eines Tages Männer und Weiber mit Dreschflegeln, Rechen und Stöcken "ohne allen Respekt" vor dem Klostertor. Sie drangen sogar in das Haus ein und erschreckten die Frauen und Zöglinge nicht wenig. Erstere flüchteten in die Kirche, letztere verkrochen sich in alle Schränke und Winkel. Schließlich aber kamen alle mit dem Schrecken davon. Die Klausurmauer wurde gebaut und steht heute noch.

Aus dem 17. Jahrhundert - etliche auch aus früherer oder späterer Zeit - stammen einige Heiligtümer, die in unserem Kloster bis auf den heutigen Tag hohe Verehrung genießen. Dazu gehören vor allem die Reliquien der heiligen Märtyrerin Fausta aus der Callistus-Katakombe in Rom, sowie die Häupter der heiligen Märtyrer Alexander und Faustinus, nebst kleineren Reliquien anderer heiliger Märtyrer. Die Schenkungsurkunden befinden sich im Original in unserem Archiv.

Im Dormitorium des Klosters wird ein altes Gnadenbild (Maria-Hilf) verehrt. Es wurde aus der Feuersbrust von 1613 gerettet. Von diesem wundertätigen Bildnis wird folgendes erzählt: Es sei zur Zeit der Reformation in der Lessinggasse auf dem Boden gelegen, Kinder hätten damit gespielt, und als sie es mit Steinen bewarfen, sei Blut über die Wangen des Kindes geflossen, worauf viel Volk zusammengelaufen sei. Das Bildnis habe dann mit deutlicher Stimme gesprochen: Bringt mich zu den Klosterfrauen! Zu Maria Empfängnis soll mein Fest sein! - So hielt das Gnadenbild Einzug in das Klösterle. In Zeiten großer Not und Trübsal wurde das Bild stets in Prozession im Hause umher getragen und die Hilfe war oft auffallend. Auch heute gilt unser erster und letzter Gruß des Tages der lieben Hausmutter. Von ihrem Bild hält jede Schwester noch die letzte Rast, wenn sie auf der Bahre liegt. Hinter dem Gnadenbild ragt ein großes, zur Andacht stimmendes Kruzifix auf. Des Nachts, wenn eine traute Lampe davor brennt, fühlt das Herz sich warm geborgen und wundersam getröstet nach des Tages Kampf.

Zu den liebsten Schätzen des Klosters zählt das aus Holz geschnitzte Christkind, das sich gegenwärtig im Winterchor befindet, in alter Zeit aber in einzelnen Zellen hoch verehrt wurde. Als eine fromme Priorin dem wunderholden Kind einmal die Not und Armut des Klosters klagte, soll sie ganz deutlich die Worte vernommen haben: Ihr werdet allzeit sein in der Not, doch nie ohne Brot! Die Zukunft hat dies Wort wunderbar bestätigt.

Auch das "Palmesele" ist so ein altehrwürdiges Stück des Klosters. Es ist eine etwa einen halben Meter hohe Holzplastik, die den Heiland auf der Eselin darstellt. Die Chronik erzählt, dass das "Palmesele" in der Feuersbrunst von 1613 wunderbarerweise ohne Schaden geblieben sei.

Das ausgehende 17. und das beginnende 18. Jahrhundert brachte schwere Heimsuchungen: Misswuchs, fürchterliche Hochgewitter, Heuschreckenplage, Wald zerstörende Sturmwinde, Durchmärsche von Soldaten und hohe Steuern.- Ein Brand, der am Osterdienstag des Jahres 1722 zuoberst in der Schweizergasse ausgebrochen war, ließ die Schwestern vor Schreck erzittern, doch blieb es, dank der wunderbaren Hilfe von oben, beim bloßen Schrecken.

Zwischendurch gab es immer wieder frohe Tage und schöne Feste, die alles Ungemach vergessen ließen. Ein solcher Höhepunkt war 1727 die Feier der Heiligsprechung der heiligen Agnes von Montepulciano, ein Fest, das acht Tage hindurch mit großem Prunk begangen wurde. Das Kirchlein war, dem Zeitgeschmack gemäß, aufs herrlichste geschmückt. Einer alten Beschreibung nach sah es aus wie ein Zedernwald, von dessen Bäumen goldene Früchte herabhingen. Neun Darstellungen aus dem Leben der Heiligen, von dicken Wachskerzen beleuchtet, waren in diesem Walde verteilt. Der Zulauf des Volkes war derart, dass das Kirchlein die Andächtigen bei weitem nicht fassen konnte. Fünfzehn Beichtväter vermochten den Andrang der Bußfertigen zu den Beichtstühlen kaum zu bewältigen. Das ganze Städtchen war auf den Beinen. Böllerknall, Trommel - und Paukenschlag sorgten reichlich für akustische Genüsse.

In ähnlicher Weise wurde 20 Jahre später die Heiligsprechung der hl. Katharina von Ricci gefeiert.

In die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts fallen einige fromme Stiftungen. Eine von diesen ist der Quatemberrosenkranz vor ausgesetztem Allerheiligsten; er wird heute noch zu allen Quatemberzeiten in feierlicher Weise abgehalten und vom Volk eifrig besucht.

Um 1750 war der Personalstand des Klosters wieder so stark angewachsen, dass das Haus durch ein Neugebäude erweitert werden musste.

Die Chronik vergleicht das alte Lienzer Haus gern mit einem Schifflein, das einmal ruhig dahin gleitet, dann aber wieder vom Sturm hin- und hergepeitscht wird.

Sturm bedeutete die Regierungszeit Kaiser Josefs II.! Es regnete kaiserliche Dekrete, die allesamt dazu angetan waren, die Schwestern in Unruhe und Bestürzung zu versetzen.Sechsunddreißig dieser Dekrete liegen noch im Archiv. In den Aufzeichnungen einer Chorfrau heißt es von dieser Zeit: Wir lebten in angstvoller Sorge, "theils wegen Unsicherheit der Verbleibung, therls wegen förchtender Aufhebung; Gott allein weiß allen Kummer, der unsere Seelen gemartert hat sowohl bei Tag als bei Nacht."

Tatsächlich konnte nur eines unser Haus vor dem damaligen Schicksal aller beschaulichen Klöster, der Aufhebung, retten, nämlich die Gründung einer Schule. Wohl war seit mehr als 150 Jahren die weibliche Jungend der Stadt von den Klosterfrauen unterwiesen worden, wie schon erwähnt wurde, doch hatte es sich bisher lediglich um Privatunterricht gehandelt. Nun wurde am 21. November 1781 eine städtische Mädchenschule (Trivialschule) eröffnet, zunächst mit zwei Klassen. In einem Vertrag bestimmte die Stadtvorstehung, dass die Mädchen nach den bestehenden Schulgesetzen besonders "im Lesen, Schreiben, Stricken, Nähen und in der christlichen Lehre" unterrichtet werden sollen.

Die Übernahme der Schule, wahrscheinlich auch die Armut des Klosters, das den habsüchtigen josefinischen Beamten nichts zu bieten hatte, sicherten dem Haus seinen Fortbestand.

Die Schikanen hörten nicht auf. 1782 wurde das Kloster der Jurisdiktion des Ordens entzogen und jener des Bischofs unterstellt. Sämtliche Privilegien, Breven und päpstliche Bullen wurden außer Kraft gesetzt. 1786 befahl der "Küster des Heiligen Römischen Reiches", alle Statuen und Heiligenbilder aus der Kirche zu schaffen. Damals langte auch das Verbot der "eigenen Sepultur" (der eigenen Begräbnisstätte) ein. Die Klosterfrauen, die bisher nach dem Beispiel des hl. Dominikus "unter den Füßen" ihrer Mitschwestern im Kreuzgang beigesetzt wurden, mussten fortan im Pfarrfriedhof begraben werden. Ebenso wurde der Nachtchor abgeschafft. In der Nacht vom 12. auf den 13. Februar des Jahres 1787 stieg das letzte mitternächtige Gotteslob zum Himmel, es war die Matutin zu Ehren der hl. Jungfrau Katharina von Ricci. In eben diesem 1787. Jahr, so erzählt die alte Chronik, wurde von hoher Stelle der Befehl gegeben, "unseren hochwürdigen Beichtvater und dessen Socius gänzlich zu entlassen und wir kamen dadurch ganz aus der Obsorg des Ordens".

In diesen traurigen Zeiten wurde dreizehn aus ihren Klöstern vertriebene Nonnen mit großer Liebe im Klösterle aufgenommen.

Einmal pochte es noch spät am Abend an die Klosterpforte. 35 Salesianerinnen aus Lyon baten um Herberge für eine Nacht. Die Armen waren auf der Flucht vor der französischen Revolution. In dieser Nacht durfte unser Kloster das Herz eines großen Heiligen beherbergen und verehren. Die Schwestern führten nämlich in einer silbernen Kapsel das Herz des hl. Franz von Sales als kostbare Reliquie mit sich.

Inzwischen loderte die Kriegsfackel, die die unheilvolle Fanzösische Revolution entzündet hatte, schon allerorten mächtig empor, auch über unserer Tiroler Heimat.

Für unser Kloster waren am furchtbarsten die Schrecken, die das Jahr 1797 mit sich brachte.

Am Lichtmesstag dieses Jahres läuteten die Sturmglocken über dem Städtchen Lienz. Es war die Kunde eingetroffen, Napoleon rücke von Venetien her gegen Klagenfurt vor; sein General Joubert, mit dem er sich in Kärnten vereinigen wollte, sei bereits in Trient eingetroffen. Die Klosterfrauen wurden aufgefordert zu fliehen. Am Feste Maria Verkündigung verpackten sie die wichtigsten Archivalien, Kirchengeräte und Wertsachen in Kisten und schickten dieselben am 26. März - es war der Sonntag "Laetare" - durch einige Zinsbauern nach Unterbaischlach und Virgen. Gott weiß, wie bitter dieser "Laetare" den Schwestern geworden sein mag!

Tage später gellte abermals die Sturmglocke. Die Flucht wurde dringend. So öffnete die Priorin die Klausurtüre und jede Schwester hatte die Möglichkeit zu flüchten. 14 Ordensfrauen verließen das Kloster; die übrigen 22 blieben mit der Priorin Benigna zurück und verrichteten das Chorgebet und alle anderen Übungen so, als ob keine fehlt. Einige Schwestern, die sich nach Nußdorf begeben hatten, kehrten schon fünf Tage später zurück, da es hieß, die Franzosen würden friedlich durchmarschieren. Kaum aber hatten die Schwestern die Klausur wieder betreten, als schon die Brücke beim Kloster mit französischen Wachen besetzt wurde. 200 französische Reiter waren eben von Drauburg her eingetroffen. Alsbald erschienen auch schon drei Offiziere im Sprechzimmer, um der Priorin zu versichern, dass dem Kloster kein Leid geschehen würde. Bald verbreitete sich jedoch das Gerücht, dass die Franzosen die Einäscherung der Stadt beabsichtigten. Das sollen sie nicht wagen! - lautete der Beschluss der Bauern. Nachts wurden die Klosterfrauen durch wilde Rufe und Schüsse aufgeschreckt. In der Schweizergasse tobten blutige Kämpfe zwischen Bauern und Franzosen, welche letztere verzweifelt mit beiden Händen schossen, trotzdem aber den wütenden Bauern erlagen. Die Schwestern knieten in dieser furchtbaren Nacht vor dem Tabernakel ihres Gotteshauses und flehten den Himmel um Schutz und Hilfe an. Die Knechte sahen am Morgen die Blutlachen vor dem Klostertor.

Am Palmsonntag rückten 17000 Franzmänner unter klingendem Spiel in Lienz ein. Gegen Abend betraten wieder etliche Offiziere das Sprechzimmer des Klosters und verlangten gebieterisch die Auslieferung von Schlachtvieh. Unterdessen waren schon Soldaten in den Stall eingedrungen und hatten vier Ochsen, vier Kühe, einen Stier und drei Schafe weggeführt; auch eine Kutsche, einen Wagen und viel Futter hatten sie mitgehen lassen. Ein Paar Ochsen und das Pferd hatten die Knechte noch rechtzeitig in Sicherheit bringen können.

Von der Magd Christina wird erzählt: Da sie sich in diesen Schreckentagen in der Pfortenstube, die sie bewohnte, sehr vor den Franzosen fürchtete, packte sie ihre besten Habseligkeiten in eine Kiste, erhöhte dieselbe nach Art einer Bahre, bedeckte sie mit einem Leintuch, stellte ein Kruzifix darauf und ein Licht davor, setzte sich daneben hin und hielt, den Rosenkranz betend, ihre "Totenwacht". Es dauerte nicht lange, da stürmte schon ein Trupp Soldaten herein. Doch beim Anblick der "Totenbahre" und der zitternden Alten wichen sie erschrocken zurück und suchten eiligst das Weite.

Am nächsten Tag forderten die Franzosen 100.000 Gulden Brandsteuer von der Stadt. Sollte die Summe nicht sofort aufgebracht werden können, würde die Stadt in Flammen aufgehen. Einer der Stadtherren, Oberhueber, kam ins Kloster und bat flehentlich um bares Geld für die Brandschatzungssumme. Die Priorin brachte mit harter Mühe 227 Gulden zusammen und übergab sie ihm. Mehr als 25.000 Gulden vermochte die ganze Stadt nicht aufzubringen und so herrschte höchste Angst und Aufregung unter den Bewohnern. Zwei Klosterfrauen wagten die Flucht. Schließlich aber ließen es die Feinde mit der Drohung bewenden und zogen ab, da sie den General Laudon im Rücken fürchteten. Fünf der vornehmsten Stadtherren mussten als Geiseln " wie gemeine Mann" mitmarschieren.

Bald danach rückten kaiserliche Soldaten in Lienz ein; nun galt es, für diese zu sorgen. Auch das arme Klösterchen wurde dazu herangezogen.

Am heiligen Osterabend, dem 15. April, kamen alle geflüchteten Klosterfrauen wieder heim "und wir genossen das Osterlämmlein mit Freuden beisammen", wie in einer alten Handschrift zu lesen ist.

Zur Franzosenzeit wurden den Lienzer Bürgern alle Kühe, die sie für den Eigenbedarf hielten, abgenommen. Nur den Dominikanerinnen ließ man zur Versorgung des ganzen Konventes noch eine einzige Kuh. In der Familie Unterhuber war damals ein Kleinkind und deshalb der Entzug der Milch besonders hart. Nachts schickten die Klosterfrauen heimlich ihre einzige Kuh dorthin. Dieses großzügige Entgegenkommen wurde, nach Mitteilung des Herrn Venerand Unterhuber, (1865 -1942) in dieser Familie durch die folgenden Generationen nie vergessen.

Nach dem Frieden von Formio erlosch die Kriegsfackel in unserem Vaterland für ein knappes Jahr. In dieser kurzen Zwischenzeit verheerte neuerdings ein Brand die Stadt Lienz. Zunächst schien für unser Haus keine Gefahr zu bestehen, da das Feuer talabwärts brannte. Doch als die Flammen bereits das Rathaus ergriffen hatten und die Glocken der lichterloh brennenden Johanneskirche mit Getöse vom Turm herab gefallen waren, - da wechselte der Wind plötzlich die Richtung und das wütende Element wandte sich der Schweizergasse und dem Kloster zu. Schreck erfüllt suchten die Schwestern zu retten, was noch zu retten war. Das Bettzeug warfen sie in großen Ballen in den Garten hinab. Gegen 11 Uhr nachts mussten sie des beißenden Rauches wegen das Haus verlassen, - und tatenlos zusehen, wie das geliebte Heim in Schutt und Asche versank,- nun schon zum dritten Male! Erhalten blieben nur die Wolfgangskapelle, die Sakristei samt dem anstoßenden Stübchen, das alte Brotgewölbe und das Sprechzimmer. Die Klosterfrauen mussten auf Herbergssuche gehen. Einige kamen im Kloster zu Innichen unter, andere fanden in Privathäusern Aufnahme. Nur die Prokuratorin Marianne Egger und noch sechs oder acht andere Schwestern konnten sich nicht entschließen fort zu gehen, aus Furcht, es könnte das Klösterchen in so stürmischer Zeit dem Orden ganz verloren gehen. Um dies zu verhüten, wollten sie lieber in den Ruinen hausen, in bitterster Armut, ohne Schloss und Tür, den freien Himmel über sich. Sie sahen in diesem Himmel aber auch die Sterne - und gaben die Hoffnung nicht auf. Die Priorin und die übrigen Frauen, die sich in Innichen befanden, waren entweder betagt, oder erschöpft und mutlos; jedenfalls hielten sie einen Wiederaufbau für ausgeschlossen. Menschlich gesprochen, war es diesmal auch wirklich so. Frau Marianne aber, die viel Mut und ein außergewöhnliches Gottvertrauen besaß, wollte das umöglich Scheinende dennoch wagen. Sie ließ sich von den Vorgesetzten die nötigen Vollmachten erteilen und ging mit starker Hand ans Werk. Die Vorwürfe, die sie von verschiedenen Seiten zu hören bekam, sie wäre unbescheiden, unklug und vermessen, konnten sie nicht beirren. Es war freilich kein leichtes Werk. Man konnte damals die Schwestern in die umliegenden Dörfer wandern sehen, um Kalk, Bauholz und Dachschindeln zu erbitten. Manchmal türmten sich die Schwierigkeiten haushoch, doch immer wieder fanden sich edle Menschen, die aus der Not halfen und den Bau tatkräftig unterstützten. So schenkten z. B. die Bauern aus Amlach der Kirche einen Hochaltar. Da die Priorin noch immer in Innichen weilte und daher alle wichtigen Schriftstücke zur Unterfertigung dorthin geschickt werden mussten, was sehr umständlich war, so erbot sich der Pfarrer von Tristach, die Priorin und die Subpriorin in sein Haus aufzunehmen. Ebenso fanden acht andere Schwestern freundliche Aufnahme beim Veidlerbauern in der Nähe der Kirche. Dieser gute Mann sollte seinen Gästen die Klausur so weit als möglich ersetzen und ließ daher sein Haus durch einen hölzernen, gedeckten Gang mit der Kirche verbinden. Als dieses Haus bei einer großen Feuerbrunst hundert Jahre später (1898) völlig unversehrt blieb, sahen die Nachkommen darin Gottes Lohn für die den obdachlosen Nonnen erwiesene Güte.

Als das Kloster zu Lienz wieder ein Dach hatte, sammelten sich die zerstreuten Schäflein im neuen Heim unter der neuen Priorin Ignatia Hell. Die Priorin Benigna und die Subpriorin erlebten die Rückkehr nicht mehr, sie waren in Tristach gestorben. Am 7. Dezember 1799 stimmten die Schwestern bewegten Herzens erstmal wieder den feierlichen Chorgesang an: es war die Vesper zu Ehren der "Immaculata". Am 14. November 1800 wurde das Haus neu "verklausuriert", denn bis dahin war es, wie die Chronik berichtet," von denen Weltlichen überloffen worden".

Der Glockenturm konnte erst 1803 gebaut werden. Als zum ersten Mal die Glocke darin schwang, - sie läutete das Rosenkranzfest ein - da feierten die Frauen in großer Dankbarkeit des Herzens für die so wunderbare Hilfe des Herrn ein bescheidenes Fest.

Nach der unglücklichen Schlacht bei Austerlitz 1805 kam Tirol an das mit Napoleon verbündete Bayern. Die neue kirchenfeindliche Regierung beeilte sich, die von Kaiser Josef II. noch belassenen Klöster teils aufzuheben, teils durch das Verbot der Aufnahme neuer Mitglieder zum Aussterben zu verurteilen. Zur Reihe der letzteren sollte auch unser Kloster gehören. Wegen ihrer kirchenfeindlichen Maßnahmen der Missachtung uralten religösen Brauchtums machte sich bekanntlich diese Regierung äußerst verhasst und es kam zur Erhebung des Jahres 1809.

In diesem denkwürdigen Jahr waren die Geschicke des Klosters wiederum eng verbunden mit denen des Landes und der Stadt. Die Chronik des Hauses weiß mancherlei zu erzählen aus diesen Tagen des Tiroler Freiheitskampfes. Einiges sei auszugsweise daraus entnommen: Am 23. August - wir saßen beim Mittagessen - , da rückten die Franzosen in unsere Stadt ein. Sie wurden von den Bauern heftig angegriffen und so kam es zu einer wilden Schießerei. Wir ließen unsere Knödel stehen und flüchteten in den Kreuzgang und in die Gewölbe. Dort gab Pater Epiphan, der Beichtvater, einer jeden, wie sie in der Verwirrung daherkam, die Wegzehrung. Die übrig gebliebenen Hostien barg er in einem Schächtelchen, das er in das "Kleine Gewölbele" trug. Der erste Schrecken war vorüber. Allein es sollte bald ein weiterer folgen. Als wir uns zum Abendessen wieder im Refektorium befanden, schauten auf einmal wilde Franzosengesichter zu den Fenstern herein. Zu Tode erschrocken, hasteten wir alle davon. Einige wollten zum Haustor hinaus, dort aber starrten ihnen aufgepflanzte Bajonette entgegen. Jede glaubte nichts anderes mehr, als den grausamen Tod gewärtigen zu müssen. Als die Franzosen unsere Furcht sahen und wir ihnen versicherten, dass keine bewaffneten Männer hier verborgen wären, zogen sie ab.

Am Fest des hl. Vaters Dominikus - mein Gott, was für ein Fest war dies! - da kamen die Franzosen schon in aller Frühe und verlangten Wein und Fleisch. Man gab ihnen, was sie nur begehrten. Wir aber verweilten in Andacht beim Herrn in dem von einer Ampel nur spärlich erhellten fensterlosen Gewölbele. Unser Nachtlager hatten wir auch in den Gewölben. Erst am 14. Tag, am Portiunkula - Sonntag, wagten wir uns heraus. Der Pater Guardian trug das heiligste Sakrament auf das Chor und hielt einen Gottesdienst. Doch schon am Nachmittag verbreitete sich die Kunde, die heranrückenden Bayern beabsichtigten, die ganze Stadt in Brand zu stecken. Wieder wurde das Allerheiligste verborgen, diemal im Archiv. Soviel wir nur konnten, plünderten wir von der Kirche und vom Kloster in die Gewölbe. Gegen Abend erschien der Franziskanerpater Tibery Thaler, um uns zu trösten und zu helfen. Schon erhob sich wilder Tumult an der Klausurtür. "Heute Nacht müssen wir bei den Nonnen sein!" grölte die Soldateska. Der unerschrockene Pater aber stellte sich vor die Klausur und rief, eher lasse er sich in Stücke hauen, bevor einer es wagen sollte, die Schwelle zu überschreiten. Zum größten Glück erschien alsbald der Hauptmann und verjagte die wilde Horde.

Noch ein paar Tage vergingen in großer Furcht. Als am 8. August in der Lienzer Klause der Kampf entbrannte, zündeten die Franzosen "alle umliegenden Häuser und Örter an und auch uns zu Grafmühl den Meierhof mit Mühl und Säge samt dem ganzen Jahresnutzen".

Nach Abzug der Franzosen am 10. August konnten wir endlich wieder frei aufatmen.

Um Allerheiligen zogen viele Heere durch Lienz durch. Unser Haus hatte mehrere 100 Mann zu verpflegen. Dadurch kamen wir, weil uns das meiste Getreide verbrannt war, in solche Not, dass wir kaum mehr zu essen hatten. Da schickte uns die Stadt aus Barmherzigkeit Kommissbrot für die Weihnachtsfeiertage.

An einem Dezembertag forderte ein französischer Rittermeister, man sollte den Garten öffnen, sie wollten darin die "Stuck" (Kanonen) aufstellen. Alles Sträuben war vergebens. Die Franzosen hackten die Tore ein und hieben 20 Schießscharten in die Gartenmauer. Uns aber geschah kein Leides, denn es wurden Wachen vor die Klostertüren gestellt zu unserem Schutze.

Die folgenden Jahre verbrachten die Schwerstern sehr arm. Sie hatten sich bis zum letzten an Geld und Gut und Kraft verausgabt.

1812 mussten auf höheren Befehl sämtliche Felder verpachtet und alle Dienstboten mit Ausnahme einer Magd, des Mesners und der Ausgeherin entlassen werden.

Eine gedeihlichere Entwicklung des Hauses konnte erst nach dem Wiener Kongress wieder einsetzen. Es durften jetzt endlich wieder Kandidatinnen aufgenommen werden. Aus der Mitgift der neu Eingetretenen und verschiedenen Spenden gelang es dann auch allmählich, die aufgelaufenen Schulden zu bezahlen und das Haus wieder instand zu setzen, bzw. weiter auszubauen.

Als 1825 die Schweizergasse abermals brannte, blieb unser Kloster wie durch ein Wunder verschont. Zum Dank für die glückliche Rettung halfen die Schwestern den armen Betroffenen mit Nahrung und Kleidung, so gut sie es vermochten.

Im Winter 1827 fiel so viel Schnee, dass es bei der Schneeschmelze zu großen Überschwemmungen kam. Auch das Kloster trug Schaden davon.

Unter der tüchtigen Priorin Emilie Widmann geschah sehr vieles zum Wohl des Hauses. Die Kirche wurde 1829 neuerdings eingeweiht und erhielt für den Hochaltar eine "Maria Heimsuchung" aus der Hand des berühmten Malers Dusi aus Venedig. Mit starker, doch liebevoller Hand nahm diese Priorin auch die innere Reform des Klosters in die Hand. Eine solche war notwendig geworden, da die Wirren der letzten Jahrzehnte die strenge Ordenszucht begreiflicherweise erschüttert hatten.

Um diese Zeit ersuchte der Probst von Innichen den Lienzer Konvent, das dortige Klösterchen wieder zu besetzen und eine Mädchenschule zu gründen. Leider war Lienz nicht in der Lage, dieser Bitte entsprechen zu können. Die Folge davon war, dass uns das Kloster zu Innichen verloren ging. Es wurde in ein Krankenhaus umgewandelt und Barmherzigen Schwestern übergeben.

An Stelle dieses Hauses wuchs uns ein anderes zu. 1848 wurde das seinerzeit aufgehobene Dominikanerinnenkloster Maria - Steinach bei Algund (Meran) angekauft. Die sechs Schwestern, die dorthin zogen, gründeten alsbald eine Mädchenschule. Die Anfängerinnen hatten wohl große Opfer zu bringen, doch lohnten sich diese reichlich. 1863 war Maria - Steinach bereits ein selbständiges Kloster, eine blühende Gottessiedlung.

1858 ging von Lienz eine völlige Neugründung aus: die des Frauenklosters zu Friesach in Kärnten. Es wurde zu diesem Zweck das uralte, leer stehende Dominikanerkloster in Friesach auf 50 Jahre gepachtet. Die Schwestern, die dorthin gesandt wurden, riefen ebenfalls eine Mädchenschule ins Leben. Diese umfasst heute eine Volks-, Haupt- und Haushaltungsschule samt Internat. Die Friesacher Schwestern machten sich bald unabhängig vom Mutterkloster. Den Pachtvertrag mit dem ersten Orden lösten sie vor der Zeit und kauften ein nahe gelegenes Schlösschen, das sie in ein Kloster umgestalteten und 1890 besiedelten.

Eine weitere Neugründung erfolgte 1862 zu Güns in Ungarn. Güns wurde der Ausgangspunkt für mehrere andere Dominikanerinnen - Klöster in diesem Lande.

Inzwischen war es auch mit dem Lienzer Klösterle, insbesondere hinsichtlich der Schule, gut vorangegangen. Diese war zu einer mehrklassigen Volksschule mit etwa 400 Schülerinnen angewachsen, so dass das Schulhaus mehrmals hatte erweitert werden müssen.

Die Kriegsjahre 1914 - 1918 brachten freilich wieder manchen Rückschlag. Auch in unser Haus kehrte damals die Not ein- zugleich mit ihr aber auch Gottes augenscheinliche Hilfe, die nicht selten in Form von Liebesgaben aus Holland kam. Das Kloster nahm in diesen Jahren nur Hilfe dankbar an, es half auch selbst, wo und wie es eben konnte. Einige Schwestern opferten ihre ganze Kraft und Gesundheit den armen Verwundeten in den Lazaretten.

Die Schule musste zeitweilig dem Militär Quartier bieten, was natürlich manche Störung im Unterrichtsbetrieb verursachte. Trotz allem konnte im Kriegsjahr 1915 eine dreiklassige Bürgerschule eröffnet werden, die 1927 in eine Hauptschule überging. So umfasste die "Klösterleschule" nun vier Volksschulklassen samt einer Abschlussklasse und eine vierklassige Mädchen - Hauptschule. Sie war eine Privatschule. Sie war eine Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht.

Bereits im Jahre 1920 erhielten die Lehrschwestern die Erlaubnis, zur Aufsicht beim Schulgottesdienst, für Lehrausgänge und gemeinsame Schulausflüge die Klausur zu verlassen.

Im Jahre 1924 konnte das schulische Wirkungsfeld neuerdings erweitert werden, und zwar durch die Eröffnung einer Haushaltungsschule, für die ein eigener Bau erstellt worden war. Es war eine schöne apostolische Aufgabe, so vielen jungen Menschen eine gediegene religiöse Bildung ins Leben mitgeben zu dürfen. Die Diesseitsaufgaben kamen keineswegs zu kurz dabei - die maßgebenden Behörden haben die guten Leistungen des Öfteren lobend anerkannt.

Im Jahre 1930 konnte mit Gottes Hilfe und der Mithilfe des ganzen Städtchens, sowie der eines großen unbekannten Wohltäters die schon lange geplante Restaurierung der Kirche in Angriff genommen werden. Obwohl sie erst 1897 ausgemalt worden war, waren die Wände schon wieder derart geschwärzt, dass sie beinahe denen einer Selchküche glichen, wie nicht selten zu hören war. Schuld daran war hauptsächlich das Heilige Grab, der Stolz des alten Mesners Jach, der es, um es ins rechte Licht zu setzen, mit vielen Dutzenden rauchender und rußender Öllämpchen umgab. Nun wurde die Kirche frisch getüncht und der aus Bozen berufene Meister Albert Stolz versah Gewölbe und Wände mit ansprechenden Fresken. Sie stellen die bedeutendsten Heiligengestalten des Ordens dar. Auf das Gewölbe des Sommerchors malte er vier schöne, betende und musizierende Engel. Ins "Grüftl" kopierte er - wohl im Gedanken an die einstigen Magdalenerinnen, deren kleines Gotteshaus das Grüftl gewesen war - Fra Angelicos "Magdalena im Grabesgarten " al fresco. Nach einigen anderen Erneuerungen stand das Kirchlein zur Freude aller gegen Ende des Jahres im neuen Gewand da.

Der Schluss des Schuljahres 1930/31 brachte ein selten schönes Doppelfest: Unsere Schule feierte ihren 150. Geburtstag - und gleichzeitig beging die hoch verdiente Lehrerin und Priorin Sr. M. Agnes Plattner ihr fünfzigjähriges Lehrerinnenjubiläum. Zu diesem freudigen Anlass hatte eine dichterisch begabte Schwester ein sehr feines Heimatfestspiel geschaffen. Es führte in 9 Bildern durch die Geschichte der Klösterle - Schule und der Stadt Lienz und bot auf diese Weise manchen interessanten Einblick in die osttirolische Kulturgeschichte. In den Ansprachen wurde hervorgehoben, dass die edle und tiefreligiöse Gesinnung der Lienzer Frauenwelt zum Großteil ein Verdienst unserer Schule sei. Das besonders segensreiche Wirken der Jubilarin, der Frau Priorin Agnes, wurde vom Papst selbst in der Weise anerkannt, dass ihr sein Bild mit eigenhändiger Unterschrift und mit dem apostolischen Segen für Kloster, Schülerinnen und deren Eltern übersandt wurde. Einige Monate nach dieser wohlverdienten Ehrung starb Mutter Agnes, tief betrauert von allen, die diese bedeutende Frau gekannt hatten, vor allem von den Schwestern und Schülerinnen, denen sie wahrhaft Mutter gewesen war.

An der Feier des hundertjährigen Jubiläums unserer Schule im Jahre 1881 erinnert sich noch unsere sechsundachtzigjährige Küchenschwester, die damals in der 2. Volksschulklasse saß. Sie blickte schon als Kind sehnsüchtig in den Klosterhof hinein und es stand bei ihr fest, dass sie einmal eine "Leibenschwester" (Laienschwester) werden würde.

Die steigenden Anforderungen, die die Schule an die Schwestern stellte, machten es beinahe unmöglich, die strenge päpstliche Klausur einzuhalten. So wurde dieselbe über Ansuchen beim Heiligen Stuhl 1931 in eine bischöfliche umgewandelt. Statt der feierlichen ewigen Gelübde sollten künftig einfache Gelübde abgelegt werden. Im Übrigen blieben Regel und Konstitutionen des Ordens unangetastet. Gegenwärtig - ein gutes Vierteljahrhundert später - stehen wir im Begriffe, zur ursprünglichen päpstlichen (gemilderten) Klausur (clausura papalis minor) und zu den feierlichen Gelübden zurückzukehren - und trotzdem die Schule beizubehalten, da diese Möglichkeit seit einiger Zeit besteht.

Im März 1938 kam das nationalsozialistische Regime. Es kam wie ein Reif in der Frühlingsnacht - auch über unsere Schule. Sie wurde uns genommen und wir hatten als Ordensleute kein Recht mehr, junge Menschen zu erziehen und zu unterrichten. Das Schulhaus samt Inventar, ebenso die Haushaltungsschule, wurden von der Stadt gemietet und alles stand nun im Zeichen des Hakenkreuzes.

Im Schulgebäude wurde zuerst die öffentliche Schule untergebracht, später, nach Ausbruch des Krieges, diente es als Spital und Lazarett und schließlich als Kaserne für die Engländer. Den westlichen Trakt des Gebäudes bewhonten die "Pfründner". Die vier gartenseitig gelegenen Klassenzimmer mussten ihnen zur Verfügung gestellt werden. Sie blieben zehn Jahre und gingen durch das Kloster und die Holzhütte aus und ein.

Wiederholt erschienen Kommissionen, um das Haus in Augenschein und eventuell in Besitz zu nehmen, allein sie zogen stets ergebnislos von dannen. Es war wohl "Frau Armut", die unser Haus immer wieder vor ihrem Zugriff schützte.

In den Kriegsjahren 1939 bis 1945 wurde gar manches Kloster enteignet und die Insassen daraus vertrieben. Dieses Schicksal widerfuhr unserem Schwesternkloster in Bludenz. Sechs Schwestern von dort fanden bei uns Aufnahme.

Auf Wunsch des hochwürdigsten Bischofs leisteten unsere Schwestern in dieser Zeit Hilfe, wo immer sie gebraucht wurden: als Organistinnen, Seelsorgehelferinnen und als Pflegerinnen in Lazaretten. Zwei Schwestern kochten im hiesigen Franziskanerkloster, als der Klosterkoch eingerückt war. Andere Schwestern befassten sich mit Näharbeiten. Solche Arbeiten anzunehmen war allerdings nur dann gestattet, wenn eine Schwester die entsprechende Meisterprüfung besaß. So begaben sich zwei Schwestern nach Freiburg i. Br., um die Paramentenstickerei und -näherei zu erlernen und die Meisterprüfung hierüber abzulegen.

Am 9. Juni 1944 überflogen zum ersten Male feindliche Flugzeuge unsere Stadt. Seit diesem Tage gab es fast jeden Tag Alarm und stundenlangen Aufenthalt im Luftschutzkeller.

Vorabend des Christkönigsfestes! Die feierliche Matutin. Chor ist eben verklungen, die Laudespsalmen werden begonnen, da: Voralarm! - Die Laudes werden in der Konventstube neu angestimmt! - Alarm! - Harmonium und Gesangbücher werden eiligst in den Keller geschleppt -und die Laudes zum drittenmal angefangen!

Das Allerheiligste durfte bei Alarm von der Priorin in den Luftschutzraum getragen werden. So war der Herr immer mitten unter uns und ebenso das Bildnis unserer Gnadenmutter.

5. Feber 1945, 12.35 Uhr! In Lienz fällt die erste Bombe und diese erste Bombe schlug in das Presbyterium unserer Kirche ein. In etwa 20 Meter Entfernung befanden sich die Schwestern im Schutzraum. Nachdem ein furchtbarer Krach sie bis ins Innerste erbeben ließ, begab sich die Sakristanin in die Kirche und starrte mit vor Schreck geweiteten Augen auf einen Trümmerhaufen. Mein Gott, wie sah es aus! Der Hochaltar zerstört, die Sakristeitür und die großen schönen Statuen von St. Dominikus und Thomas zertrümmert, die Lampen und sämtliche Fenster zersplittert, die Fensterstöcke des Winterchores herausgerissen, die Seitenaltäre und die vorderen Kirchenbänke stark beschädigt, Orgelpfeifen lagen umher! Der Tabernakel stand noch auf der Mensa, jedoch so weit nach vorn geschoben, dass er beinahe herab gefallen wäre. Eigenartiges Verhängnis! Gerade dieses Mal war das Allerheiligste nicht geborgen worden. Die Sakristanin trug die Monstranz, die aufrecht im Tabernakel stand, in die Sakristei. Ein geistlicher Herr, der inzwischen von der Pfarre herbeigeeilt war, barg die übrigen heiligen Gefäße und die heiligen Hostien, von denen einige zerstreut im Tabernakel lagen. Hierauf stimmte er mit den Schwestern das Te Deum an; zum Dank für die Heimsuchung Gottes, zum Dank aber auch für das Glück im Unglück, das dem Hause widerfahren war. Fachleute stellten nämlich fest, dass die Bombe infolge eines Fabrikfehlers nicht richtig explodiert war. Normalerweise hätte eine solche Bombe zumindest die ganze Kirche zerstört.

Sofort begannen die Schwestern, dem Herrn eine neue Wohnung einzurichten, indem sie das Refektorium in eine Kapelle umwandelten.Am Osterfest des sechsten Kriegsjahres erklang das Alleluja recht fröhlich in dieser Kapelle - trotz allem. Auf jeden Karfreitag folgt ja ein Ostermorgen. Dieser Gedanke gab neue Hoffnung und Kraft für das, was noch bevorstand.

Noch in den letzten Kriegstagen wurde Lienz schwer bombardiert. Als am 27. Feber in das alte Spital, in dem 200 verwundete Soldaten lagen, eine Bombe einschlug, wurde das Lazarett in unser Schulhaus verlegt. Noch in derselben Nacht übersiedelten die 200 kranken Soldaten - und auch noch in derselben Nacht musste die Klosterküche geräumt und dem Lazarettbetrieb zur Verfügung gestellt werden. Die Schwestern mussten auf dem Herd der Haushaltungsschule, der in Eile in der "Pfisterküche" (Backstube) aufgestellt wurde, ihre spärlichen Mahlzeiten bereiten. Auch die Pflegerinnen, sechs Barmherzige Schwestern, wurden bei uns untergebracht. Zudem musste man noch manchen Flüchtling in diesen Tagen beherbergen.

Das Kloster hatte Unglaubliches zu tragen und man fragt sich heute, wie dies alles nur möglich war.

Als im August das Lazarett aufgelöst wurde, waren die letzten Soldaten noch nicht fort, als schon Engländer Einlass begehrten, um sich hier häuslich einzurichten. 120 Mann mussten im Schulhaus untergebracht werden. In die Haushaltungsschule zogen britische Offiziere ein. Das stille Kloster war vom frühen Morgen bis zum späten Abend von Lärm erfüllt. Dass unter solchen Umständen ein geordnetes, monastisches Leben kaum mehr möglich war, lässt sich denken.

Am 31. Oktober fand der letzte Gottesdienst in der Kapelle statt. Die ganze Kommunität geleitete den Herrn im Sakrament singend und mit brennenden Kerzen feierlich in die Kirche zurück, die inzwischen soweit restauriert war, dass das heilige Messopfer auf einem Notaltar gefeiert werden konnte.

Am 6. November zogen endlich die Engländer ab. Mittlerweile war uns von der Stadt wieder die Schule übertragen worden. Aber die beiden Schulhäuser waren arg mitgenommen, so dass es bis zur Eröffnung der Volksschule am 10. Dezember noch alle Hände voll zu tun gab. Die Hauptschule konnte wegen Mangels an geistlichen Lehrkräften nicht mehr übernommen werden.

Da das Schulgebäude des Realgymnasiums, das alte Spital, stark von Bomben beschädigt war, hielt es Einzug in unsere Haushaltungsschule und verblieb dort bis zum Jahr 1951. Nachdem das arg verwahrloste Gebäude unter großen Kosten und Mühen wieder instand gesetzt war, konnte im Oktober 1952, nach langer Unterbrechung, wieder eine einjährige Haushaltungsschule für etwa 50 Mädchen samt einem kleinen Internat für ungefähr 20 Mädchen eröffnet werden.

Die Not der Nachkriegszeit war riesengroß. Aber es wehten wieder die rot - weiß - roten Fahnen über dem Land - und wir Österreicher verzweifelten nicht. Mit Anspannung aller Kräfte wurde der Wiederaufbau im ganzen Vaterland begonnen. Jeder packte zu, jeder an seinem Platz, auch wir Schwestern auf unserem Platz.

Die neu gewählte Priorin übernahm die schwere Aufgabe des äußeren und inneren Wiederaufbaues unseres Klosters.

Hier soll nur einiges erwähnt werden über die Bautätigkeit, die auf ihre Initiative hin einsetzte. Zunächst und vor allem galt es, die verwahrlosten Baulichkeiten zu renovieren, umzubauen oder neu zu bauen. Außerdem wurde im Verlauf der nächsten Jahre der nordseitige Trakt des Klosters mit dem Eingang, dem Sprechzimmer, den Pforten- und Gastzimmern neu und geschmackvoll gestaltet. Weiters entstanden ein neues Badezimmer, eine neue Waschküche, ein neuer Bibliotheksraum und eine geräumige Krankenzelle. - Um die Landwirtschaft, die dem Kloster über die Hungersnot der ersten Nachkriegsjahre hinweggeholfen hatte, zu heben, wurde unter anderem ein neues, großes Futterhaus erbaut, der Stall verbessert und auf der Lende ein Obstgarten und ein großer Brunnen angelegt. Fast alle Pachtfelder wurden zurück genommen und von jetzt an selbst bewirtschaftet. Die Dienstboten erhielten hübsche, neue Wohnräume. Schwere Opfer erforderte die Wiederinstandsetzung der Kirche. Die Apsis wurde vom Tiroler Barockmaler Andre mit einem herrlichen, farbenfrohen Gemälde versehen, das die Idee von Maria als der Vermittlerin aller Gnaden in seltener Tiefe und in ungewöhnlicher Schönheit zum Ausdruck bringt. - Der Fußboden des Presbyteriums sowie der Alter und die Kommunionbank sind aus Kötschacher Marmor. An die Stelle des linken Seitenaltares trat eine neue, schöne Kanzel. Schon 1946 wurde der Neubau des Sommerchors in Angriff genommen. Jedem Kirchenbesucher fällt das selten schöne, schmiedeeisene Chorgitter auf, das der meisterlichen Hand eines heimischen Kunstschlossers entstammt. Erst gegen Lichtmess 1950 wurden die Arbeiten an der Kirche zu Ende geführt. Die feierliche Altarweihe wurde jedoch schon vor Weihnachten, am 18. Dezember, durch den hochwürdigsten Herrn Bischof vorgenommen.

Um zur Linderung der allgemeinen Wohnungsnot beizutragen, wünschten die Bischöfe, dass die Klöster Grundstücke zum Bau von Wohnhäusern abtreten sollten. Auch unser Kloster kam diesem Wunsch nach. Der restliche, gegenwärtige Grundbesitz beträgt 22 Hektar; dazu kommen noch 16 Hektar Wald.

Die Landwirtschaft, die Tätigkeit in der Schule, Kirchenwäsche und Hostienbäckerei für mehrere Pfarren sowie etwas Paramentenstickerei bilden die Erwerbsquellen des Klosters, das derzeit 39 Insassinnen zählt.

Wir schreiben das Jahr 1957. Sieben Jahrhunderte sind hinweggegangen über das Dominikanerinnenkloster zu Lienz. Manch harter Sturm hat es umbraust -, aber von Gott allezeit wunderbar beschützt, gesegnet und geführt, steht es dennoch -, steht gleich einer harten Wettertanne der Heimat.

Ein altes Haus!- Wie traumversonnen liegt´s am Uferrand-

Ein Inselchen aus längst verrauschten Zeiten.

Fast ist´s , als spüre man des Mittelalters Hauch

Noch heute um die stillen Mauern gleiten.

Hat friedensschöne, stille Zeiten erlebt

Und raue Zeit - und dunkle Schicksalsstunden.

Hart ward´s gerüttelt, doch zerfiel es nicht,

in Gott gegründet, hat sich´s stark gefunden.

Aus wenig Steinen ward es erst erbaut

Und ist nun doch ein uralt Haus geworden -

So schlicht an Ursprung und so zäh an Kraft.

Wie der, dem´s angehört: der Predigerorden.